Diese 5 Fragen solltest Du Dir unbedingt stellen, bevor Du Deinem Kind Grenzen setzt.

VON DORIS GANTENBEIN AM 01.03.2018

Beziehung statt Erziehung - Einzigkeit, Eltern-Coaching

Seit Wochen und Monaten schon beschäftigte sich eine Mutter mit der Frage „Was kann ich tun, damit mein Kind meine Grenzen respektiert?“ Ständig hatte sie versucht, die Grenzen gegenüber ihrem Kind anders zu formulieren, abzuändern, anzupassen.

Vergebens.

Die festgelegte Grenze wurde dauernd überschritten.

In ihrer Not begann die Mutter, Belohnungen und Strafen einzusetzen, mit dem Resultat, dass alles nur noch schlimmer wurde.

Kennt Du diese Situation? Unter Eltern wird oft diskutiert, welche Konsequenzen bei Nicht-Einhalten einer Grenze sinnvoll sind, was zu tun ist, damit sich das Kind so verhält, wie es gewünscht wird.

Das Motto lautet: Wie kann das Kind dazu gebracht werden, dies oder jenes zu tun oder nicht zu tun. Aus der Hilflosigkeit heraus beginnen die Eltern an ihrem Kind zu rupfen, zu ziehen, zu schrauben, respektive es zu erziehen.

Alle 9 Minuten bekommt ein Kleinkind ein NEIN zu hören!

Nur selten wird hinterfragt, ob die gesetzte Grenze denn überhaupt Sinn macht, ob es diese wirklich braucht.

Ist es nicht erschreckend, dass ein Kleinkind im Durchschnitt alle neun Minuten ein ‚Nein‘ zu hören bekommt?

Könnte es nicht auch sein, dass Kinder viel weniger Grenzen brauchen, als allgemein angenommen wird?

Ein Kind ist ein Spiegel seiner Umgebung und dessen, wie mit ihm umgegangen wird. Je mehr die Umgebung passt und dem authentischen Bedürfnis des Kindes entspricht, desto mehr kooperiert das Kind und desto weniger Grenzen braucht es.

Ein glückliches Kind, dessen authentische Bedürfnisse rundum erfüllt sind, hat keinen einzigen Grund, sich negativ zu verhalten. Schliesslich bekommt es genug von dem, was es wirklich braucht. Dies führt nicht nur zu einem inneren Gefühl des Erfüllt-Seins, sondern resultiert automatisch in einem kooperativen Verhalten des Kindes.

Grenzen und Regeln werden dadurch weitestgehend überflüssig, was natürlich der landläufigen Meinung widerspricht.

Wohlverstanden, damit will ich nicht sagen, dass es überhaupt keine Grenzen braucht. Die Frage ist bloss, wie und bei wem die Grenzen gesetzt werden sollen. Automatisch wird immer dem Kind die Grenze gesetzt.

Wie wäre es stattdessen, das Ganze mal umzukehren? Das bedeutet konkret: Du setzt die Grenze nicht mehr Deinem Kind, sondern Dir selbst!  Ein ganz neuer Gedanke, ich weiss.

Wenn Dein Kind der Spiegel seiner Umgebung ist, so bist Du als seine nächste Bezugsperson verantwortlich dafür, in welcher Umgebung sich Dein Kind aufhält.

Bekommt Dein Kind andauernd ein „Nein, das darfst Du nicht! Nein, Du sollst doch nicht! Nein, das ist zu gefährlich!“ zu hören, so ist das nicht nur frustrierend für Dein Kind, sondern es deutet auf eine Umgebung hin, welche nicht auf seine authentischen Bedürfnisse abgestimmt ist.

Statt Deinem Kind mit unzähligen Neins Grenzen zu erzwingen, ist es vielmehr nötig, bei Dir selber die Grenzen zu setzen.

Doch was bedeutet das genau, die Grenze bei sich selber statt beim Kind zu setzen? Mit den folgenden 5 Fragen will ich Dir dies genauer erläutern.

Frage 1: Passt die Umgebung für mein Kind?

Sehr oft führen die falschen Umgebungen dazu, Verbote auszusprechen.

Durch ein Verbot wird das authentische Bedürfnis des Kindes ignoriert. Beispielsweise ein bewegungsfreudiges Kleinkind im Alter des Entdeckens und Erkundens braucht eine Umgebung, welche genau diesen Bedürfnissen entspricht. Es will sich bewegen, entdecken, erkunden.

Stattdessen aber werden diese Kinder oftmals an Orte mitgenommen, welche einzig und allein den Bedürfnissen der Erwachsenen entsprechen.

Angenommen, Du besuchst mit Deinem Kleinkind ein hochstehendes Museum und erwartest vom Kind in aller Selbstverständlichkeit, nichts anzufassen, nicht laut zu sein, nicht zu rennen und sich stattdessen ganz ruhig und ‚brav‘ zu verhalten.

Das ist natürlich nicht möglich, deshalb versuchst Du mit dem Setzen von Grenzen das Kind zum gewünschten Verhalten zu bringen. Überschreitet Dein Kind eine Grenze, so reagierst Du mit ‘Konsequenzen’.

Doch liegt der Fehler wirklich bei Deinem Kind? Oder liegt das Fehlverhalten des Kindes schlichtweg an der falschen Umgebung?

Frage Dich also: Passt die Umgebung für mein Kind? Wenn nicht, dann setze die Grenze bei Dir und gehe nicht mit Deinem Kind an diesen Ort.

Frage 2: Gibt es bereits eine naturgegebene Grenze?

Auch hier setzt Du die Grenzen bei Dir selber, diesmal durch das Respektieren von naturgegebenen Grenzen. Naturgegebene Grenzen werden nämlich sehr oft durch wohlgemeinte, jedoch unreflektierte Hilfe von Erwachsenen versucht zu überbrücken.

In solchen Situationen ist das ganz bewusste Grenzen-Setzen bei Dir selbst gefragt, um nicht automatisch in die Rolle des Überbrückers zu fallen.

Damit Du verstehst, wie das gemeint ist, mache ich Dir ein Beispiel: Es ist widersinnig, Deinem Kind beim Erklimmen eines Baumes bis zu den ersten Ästen behilflich zu sein und ihm danach eine Grenze zu setzen, wie weit hinauf es nur klettern darf. Die naturgegebene Grenze ist bereits da, indem es Dein Kind gar nicht bis zu den ersten Ästen schafft.

Sollte es wirklich ein authentisches Bedürfnis Deines Kindes sein, einen Baum hochzuklettern, dann findest Du bestimmt einen kleineren Baum, den Dein Kind alleine hochklettern kann. Auf diese Art und Weise bekommt es die Chance, von allem Anfang an zu spüren kann, was möglich ist und was nicht.

Frage Dich also: Gibt es hier bereits eine naturgegebene Grenze?

Frage 3: Kann ich die Grenze in der Ich-Botschaft formulieren?

Grenzen-Setzen bei Dir selber kannst Du ganz einfach durch Ich-Botschaften, im Gegensatz zu den normalerweise gebrauchten Du-Botschaften.

Eine Du-Botschaft klingt vielleicht so: «Was fällt Dir eigentlich ein?! Jetzt kommst du schon wieder mit den schmutzigen Schuhen in die Wohnung! Was glaubst Du denn, wer Du bist? Zur Strafe bekommst du nun die ganze Woche Hausarrest!»

Eine solche Formulierung erniedrigt und verletzt Dein Kind und führt statt zu Kooperation eher zu Unterwürfigkeit oder Rebellion.

Ganz anders klingt es in der Ich-Botschaft: «Ich ärgere mich, dass Du mit den schmutzigen Schuhen in die Wohnung kommst. Ich möchte nicht dauernd den Boden putzen und bin auf Deine Mithilfe angewiesen. Kannst Du bitte das nächste Mal die Schuhe vor der Türe ausziehen, bevor Du reinkommst?»

Diese Formulierung gibt dem Kind eine Information darüber, was in Dir vorgeht und welche Gefühle Du gerade hast. Dein Anliegen kann somit eher gehört und verstanden werden.

Frage Dich also: Kann ich die Grenze in der Ich-Botschaft formulieren?

Frage 4: Ist es gefährlich?

Selbstverständlich ist es nötig, Dein Kind vor potentiellen Gefahren zu schützen.

Doch statt Grenzen zu setzen und Verbote zu verhängen, ist es viel wichtiger, dass Dein Kind versteht, weshalb es etwas Bestimmtes nicht tun soll.

Und auch hier liegt es wieder an Dir zu entscheiden, welcher Umgebung Du Dein Kind aussetzen möchtest.

Spazierst Du mit Deinem noch kleinen Kind an einer stark befahrenen Strasse entlang, so lauert die ständige Gefahr, Dein Kind könnte völlig unberechenbar auf die Strasse rennen. Um Dein Kind zu schützen, braucht es hier ganz gewiss Grenzen. Sinnvoller ist es jedoch, in einem Park spazieren zu gehen. Dies ist nicht nur für Dein Kind entspannter, sondern auch für Dich.

Allerdings können auch in einem Park Gefahren lauern. Klettert Dein Kind auf einen Baum, welcher bereits dürre Äste hat, so ist hier eine klare Grenze angesagt. Wenn Du Deinem Kind erklärst, weshalb Du nicht möchtest, dass es auf diesen Baum klettert, wird es dies verstehen. Versuche auch hier in der Ich-Botschaft zu kommunizieren.

Frage Dich also: Ist es gefährlich? Wenn ja, dann setze eine klare Grenze und erkläre Deinem Kind weshalb.

Frage 5: Wie viele Nein’s hat mein Kind heute schon bekommen?

Du fragst Dich nun vielleicht entsetzt: „Darf ich denn nun meinem Kind gar nie mehr eine Grenze setzen oder Nein sagen?“ Die Antwort lautet: „Aber doch!.“

Es geht keineswegs darum, Deinem Kind alles zu erlauben. Je nach Situation braucht es ein klares Nein, um die Umgebung entspannt zu halten.

Dein Kind akzeptiert Dein Nein oder Deine Grenze sehr wohl, sofern diese Sinn macht: „Nein, ich erlaube Dir nicht, dass Du das tust, weil…“

Macht die Grenze keinen Sinn, dann setze sie gar nicht erst.

Denke daran: Eine Grenze ist nicht da, um Dein Kind einzuengen. Eine Grenze soll Deinem Kind Geborgenheit und Sicherheit geben.

Ein Kind jedoch, welches von morgens früh bis abends spät von unzähligen Grenzen, Regeln, Verboten und Neins umgeben ist, nimmt diese Neins irgendwann gar nicht mehr wirklich ernst, da es einfach zu viele sind.

Es ist letztlich das Mass, welches entscheidend ist.

Frage Dich also: Wie viele Nein’s hat mein Kind heute schon bekommen?

Wenn Du diese 5 Fragen in den Alltag mit Deinem Kind integrierst, wirst Du nach kurzer Zeit Folgendes feststellen: Grenzen und Regeln erübrigen sich weitestgehend.

Und nun nochmals zurück zur Ausgangsfrage der Mutter: „Was kann ich tun, damit mein Kind meine Grenzen respektiert?“

Als ersten Schritt ist es wichtig zu verstehen, dass Dein Kind von Geburt an ein soziales Wesen ist und immer kooperieren will.

Immer.

Respektiert Dein Kind Deine Grenze nicht, so gibt es dafür Gründe.

Als zweiten Schritt versuchst Du den Gründen, weshalb Dein Kind nicht mit Dir kooperiert, auf die Spur zu kommen.

Mit der Zeit wirst Du Dein Kind und sein Verhalten immer besser verstehen und gleichzeitig Dein eigenes Verhalten ändern, um immer mehr in einer erfüllten Beziehung zu Deinem Kind leben zu können.

 «Lass die Beziehung zu Deinem Kind in voller Pracht erblühen – für Dich und Dein Kind!»

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