Weshalb Loben & Belohnen deinem Kind schadet und wie du es anders machen kannst

VON DORIS GANTENBEIN

Zahlreiche Bücher und Artikel raten, das Strafen zu unterlassen und stattdessen das Kind zu loben und zu belohnen. Dies sei motivierend und aufbauend. Doch stimmt das auch wirklich?  

Um es gleich vorwegzunehmen: Nein!  

Loben und Belohnungen schränken die Bedingungslosigkeit der Liebe ein und haben genau so verheerende Auswirkungen wie das Bestrafen. Dadurch, dass sie subtiler geschehen und auf eine Art und Weise, die nichts Schlechtes daran ahnen lässt, scheinen sie harmlos.  

Das Prinzip ist jedoch einfach: Anstelle dein Kind zu strafen, wenn es sich nicht so verhält wie du es gerne möchtest, wird es stattdessen gelobt und /oder belohnt, sobald es sich so verhält, wie es dir gefällt. Beides sind Konzepte, um das Verhalten deines Kindes zu beeinflussen.  

Arno Gruen betrachtet Lob und Belohnung als eine als Großzügigkeit und Güte bemäntelte Form der Gewalt, in welcher man dem Kind zeige, dass es nur geliebt werde, wenn es gehorche und den Erwartungen entspreche.   

Mit einem Lob erhält dein Kind die scheinbar positive Botschaft: Es gefällt mir, was du tust, mach bitte weiter so.  

Du musst nämlich wissen: Loben ist nichts anderes als eine Konditionierung, welche die Anpassung fördert und zu Fremdbestimmung führt.  

Jesper Juul bringt es auf den Punkt: „Wenn man ein Kind will, das einfach nur funktioniert, ohne nachzudenken, ist Lob eine praktische Sache.” Es kann gar soweit führen, dass manche Menschen lebenslang versuchen, immer den Ansprüchen anderer zu genügen, nur um sich angenommen zu fühlen. 

Lob macht süchtig 

Zudem kann ein Lob richtiggehend süchtig machen. Dabei geschieht Folgendes: Die Nervenzellen im Belohnungszentrum des Gehirns schütten nach einem Lob das Glückshormon Dopamin aus, welches für Entspannung und Glücksgefühle sorgen soll.  

Lobst du dein Kind häufig, so dauert es in der Regel nicht lange und du bekommst ständig die Frage zu hören: «Habe ich das gut gemacht?» 

Dein Kind durchblickt schnell, was genau zu tun ist, um ein Lob oder eine Belohnung zu bekommen.  

Du fragst dich nun sicherlich: Ist es denn nicht sinnvoll, dem Kind gewisse Werte beizubringen, wie etwa Hilfsbereitschaft, Teilen, fleißig sein, usw.?  

Leider passiert in Wirklichkeit das Umgekehrte. Die gut gemeinte Art der Motivation durch Loben erzeugt genau den gegenteiligen Effekt.  

Das Problem liegt in der Verknüpfung der Handlung mit dem Lob. Du läufst Gefahr, dein Kind zu dressieren, nur für Lob und Belohnung etwas zu leisten.  

Ein Kind, welches dauernd dafür gelobt wurde zu helfen, wird nachweislich weniger helfen, sobald keine Belohnung mehr zu erwarten ist. Erreicht wird demzufolge das Gegenteil dessen, was die ursprüngliche Absicht war.  

Je mehr Lob und Belohnung du anwendest, desto mehr wird dein Kind den Eindruck haben, etwas leisten zu müssen, um deine Liebe zu erhalten. Diese Liebe ist jedoch nicht bedingungslos. Sie ist an die Handlung des Kindes geknüpft.  

Und sie ist gar eine Art Erpressung im Sinne von: Wenn du dich so verhältst, wie es mir gefällt, dann lobe und belohne ich dich. Ist das Kind erst mal an das Loben und Belohnen gewöhnt, so kann ein Nicht-Lob bereits eine Bestrafung sein.

Was kannst du anders machen? 

Vielleicht bist du der Ansicht, dein Kind brauche das Lob, schließlich komme es ja immer danach fragen. Zudem sei es ohne Aussicht auf Belohnung nicht motiviert, etwas Bestimmtes zu tun. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Vielmehr ist das Verlangen nach Lob und Belohnung das Resultat erfolgreicher Dressur.  

Ruft dein Kind: ‘Schau mal Mama/Papa!’, so will es kein ‘toll gemacht‘ hören, sondern es will von dir gesehen und wahrgenommen werden.  

Du denkst nun: «Wenn ich mein Kind nicht lobe, meint es, ich bin nicht interessiert an ihm!» 

Ich kann dir versichern: Das Gegenteil ist der Fall. Es geht nicht darum, dein Kind und seine Aktivitäten zu ignorieren, sondern darum, wahrzunehmen ohne zu bewerten. Natürlich darfst du begeistert sein und dich mit dem Kind freuen.  

Ehrliche, von Herzen kommende Freude oder Anerkennung, ein echter Ausdruck der Begeisterung, Mitfreuen, Wahrnehmen, eine persönliche Rückmeldung, ein Dankeschön oder eine Wertschätzung sollen unbedingt immer ausgedrückt werden, denn sie sind jenseits von Erwartungen.  

Lob und Anerkennung liegen sehr eng beieinander. Das was die beiden voneinander unterscheidet, ist der Grad der Wertung.  

Unterlässt du das Loben und Belohnen, so wird dein Kind von innen heraus handeln und sich unabhängig von seinen Leistungen angenommen und geliebt fühlen und dies auch, wenn es keine super Leistung vollbringt.  

Von den Müttern und Vätern in meinen Coachings bekomme ich immer wieder zu hören, wie sie das Nicht-Loben zu Beginn als eine Art Fremdsprache erleben, die sie nun am Lernen sind. Deshalb möchte ich dich ermuntern, mit dir selbst geduldig zu sein. Du wirst sehen, es wird dir von Tag zu Tag besser gelingen, dein Kind zu anerkennen anstatt zu loben.  

Idealerweise umgibst du dich so oft wie möglich mit Leuten, welche ihr Kind ebenso wie du nicht loben wollen und ihr könnt euch gegenseitig bereichern.  

Lass mich gerne wissen, wie es dir dabei geht. Und falls du Unterstützung brauchst auf deinem Weg, so melde dich gerne bei mir.

Fühl dich HERZlichst umarmt, deine Doris  

5 Kommentare
  1. Mirjam Clavadetscher
    Mirjam Clavadetscher says:

    Ein wunderbarer Artikel. Schade, bin ich nicht schon vor 12 Jahren auf diese Einstellung gestossen. Interessanterweise widerte mich diese Lobnisse schon immer an. Die Kinder fordern das Lob mittlerweile regelrecht ein. Dabei ist mir offensichtlicherweise deutlich anzusehen, wann ich mich wirklich mit oder für sie freue, positiv überrascht oder sonst wie aufrichtig zufrieden mit einer Tat von ihnen bin. Grundsätzlich bin ich immer zufrieden mit ihnen und liebe sie bis ans Ende der Welt.
    Ungeachtet all dieser Erkenntnisse darf ich meiner Verteidigung und wohl noch anderer auch sagen, dass ich’s immer nur gut gemeint und stets das Beste für meine Kinder gewollt hatte. Welcher Elternteil will das schon nicht.
    Herzliche Grüsse
    Ma. Clavadetscher, welschenrohr

    Antworten
    • einzigkeit_admin
      einzigkeit_admin says:

      Liebe Mirjam
      Herzlichen Dank für deine Zeilen. Oh ja, wir wollen ganz bestimmt alle das Beste für unser Kind. Wenn dich das Loben schon immer angewidert hat, hast du intuitiv gespürt, dass da noch viel Anderes möglich ist. Das Nicht-Loben ist in unserer Gesellschaft wie eine Fremdsprache und ich wünsche dir ganz viel Freude beim Darin-Eintauchen, beim dich Mitfreuen mit deinem Kind, beim Anerkennen.
      HERZlichst, Doris

      Antworten
  2. Laura
    Laura says:

    Wie genau würde das den aussehen wenn zum Beispiel meine kleine Schwester mir ihre Zeichnungen zeigt? Sie tut es oft und ich merke wie sie lob sucht aber auch wie sie stolz ist auf was sie getan hat. Was könnte ich konkret sagen um ihre Entwicklung so gut es geht zu fördern?

    Und danke für den blog. 🙂 Als ich angefangen habe es zu lesen dachte ich mir was ist den das für ein Blödsinn aber ich habe den Sinn schnell verstanden und jetzt bin ich sehr neugierig und möchte es gerne ausprobieren.

    Antworten
    • einzigkeit_admin
      einzigkeit_admin says:

      Liebe Laura
      Vielen lieben Dank für dein Feedback. Ich kann dich gut verstehen. Gerade wenn du das erste Mal von dieser Umkehrung hörst, glaube ich dir gerne, dass es etwas schräg ankommt. Doch je mehr du dich darauf achtest, je mehr wirst du erkennen können, wie manipulierend und bewertend ein Lob ist. Wenn deine kleine Schwester dir eine Zeichnung zeigen kommt, dann kannst du davon ausgehen, dass sie nicht wegen eines Lobes zu dir kommt (es sei denn, sie ist bereit süchtig danach), sondern, weil sie von dir gesehen werden will. Sie will gesehen werden, wie sie ist und nicht so, wie sie zu sein hat. Da hängt natürlich letztlich ganz Vieles zusammen. Du könntest auf die Zeichnung zu, Beispiel so reagieren: Ich sehe, du hast das und das gemalt. Wie hast du dich dabei gefühlt? Was war schwierig? Hat es einen Grund, dass du gerade diese Farben ausgewählt hast? usw. Zu Beginn ist das Nicht-Loben wie eine Fremdsprache, weil wir sie es uns nicht gewohnt sind. Doch wenn du dranbleibst, wirst du immer reinwachsen. Ich wünsche dir ganz viel Freude beim ‚Training‘ 🙂

      Antworten
  3. Laura
    Laura says:

    Vielen Dank für diese konkreten Fragen! Das hilft mir sehr das Konzept besser zu verstehen und wie ich es ausprobieren kann.
    Wünsche dir eine schöne Woche 🥰

    Antworten

Dein Kommentar

Want to join the discussion?
Feel free to contribute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.